Arbeitszeit sollte wie ein Glas mit Steinen sein

05.05.2021

Das heutige Führungsbild: Wenn Sie Ihre Arbeitszeit (und die Ihrer Mitarbeitenden) planen wollen, denken Sie an ein Glas mit Steinen. Wenn Sie versuchen, zu viele große Steine hineinzudrücken, wird es zerbrechen. 


Wenn es eine Gemeinsamkeit an schlechten Angewohnheiten gibt, die ich bislang in allen Firmen erlebt habe, in denen ich gearbeitet habe, dann ist es schlechtes Zeitmanagement bzw. eine schlechte Priorisierung in der Belegung dieser Zeit. Inwiefern? Die meisten Führungskräfte muten sich und ihren Mitarbeitenden ein zu großes Maß an hochpriorisierten Aufgaben zu und wundern sich dann, dass nichts so richtig schnell fertig wird. 

Dabei ist das eigentlich kein Wunder - die Mitarbeitenden (und meist Sie selbst) sind gezwungen, immer wieder zwischen mehreren wichtigen Aufgaben hin und her zu springen. Es kann nicht einfach eine wichtige Aufgabe zu Ende geführt werden, da ja beständig auch nach dem Stand der anderen begonnenen Aufgaben gefragt wird. So entsteht ein großes Inventar an begonnenen Aufgaben, aber nichts wird innerhalb eines akzeptablen Zeitfensters fertig. Und nicht nur das - da immer eine wichtige (oder vielleicht nur dringende?) Aufgabe wartet, bleibt den Betroffenen keine Zeit für weniger dringende, dafür aber sehr wichtige Dinge wie Reflexion, strategisches Denken oder Weiterbildung. Dieser Mangel wird selten gesehen, wirkt sich aber mittelfristig sehr nachteilig auf die Performance eines Betriebs aus.

"Being busy means being out of control!"

Wie könnte also ein besserer Umgang mit der Arbeitszeit und den vorgenommenen Aufgaben aussehen?

Stellen Sie sich vor Ihrem geistigen Auge ein Wasserglas vor. In dieses Wasserglas legen Sie nun einige große Steine. Diese Steine repräsentieren die wirklich wichtigen Projekte oder Aufgaben. Sie werden merken, dass nur wenige Steine in das Glas passen, aber viel Luft dazwischen bleibt, weil die Steine nicht perfekt aneinander passen. Große Aufgaben haben immer Wartezeiten, in denen Sie pausieren müssen, weil Sie auf Antwort von Anderen warten oder gerade nicht weiterkommen. Wenn die großen Brocken das komplette Gefäß (Ihren Tag) füllen, springen Sie nur noch von Aufgabe zu Aufgabe. Sie sind aber nicht in der Lage, die Aufgabe direkt dann zu bearbeiten, wenn es weiter geht, denn Sie sind fremdgesteuert und haben ja noch andere Aufgaben auf dem Schreibtisch. Das verlängert die Laufzeiten der Projekte und Aufgaben, an denen Sie arbeiten - und zwar mit wertloser Wartezeit. Ausgerechnet die wirklich wichtigen Aufgaben brauchen dann viel zu lange und kommen oft zu spät. Anstatt einige Dinge wirklich schnell zu erledigen, braucht alles lange. 

Wenn Sie aber in Ihrem Zeitplan Luft einplanen (wie im Glas), sind Sie immer in der Lage, den Ball direkt wieder aufzunehmen und sofort weiterzuarbeiten, wenn das Stoppsignal der Aufgabe oder des Projekts wieder auf grün schaltet.

In agilen Arbeitsumfeldern hat man verstanden, dass das eigentliche Betriebsziel eine schnelle Erledigung von Aufgaben sein muss, nicht eine 100%ige Auslastung aller Mitarbeitenden. Mit anderen Worten: wir wollen einen fließenden Verkehr, keinen Stau!

Wenn Sie nun also die großen Steine ausgewählt (priorisiert!) und in Ihr Glas gefüllt haben, verbleiben Lücken. Sie könnten jetzt weitere große Steine zersägen und in die Lücken füllen, aber das führt zu Warteschlangen und langsamen Projekten. Besser ist es, Sie nehmen sich einige mittelgroße Steine und geben diese in die Lücken. Das sind Aufgaben, die nicht so hohe Priorität haben und die Sie eher mal unterbrechen oder warten lassen können - Projekte, die zwar ähnlich wichtig, aber weniger dringend sind, weil es noch lange hin ist bis zur Deadline oder - besser noch - es gar keine Deadline gibt. Vor allem aber Aufgaben, die Sie in kurzer Zeit in den nächsten "Zustand" bringen können (also die Sie nach wenigen Stunden Arbeit zur Seite legen und zur Not eine Woche unbearbeitet lassen können). Dafür eignet sich das Durcharbeiten eines Berichts also eher als ein 2-tägiger Workshop mit dem Team. 

Wann immer Sie an den großen Brocken arbeiten können, tun Sie dies, denn die müssen schnellstmöglich fertig werden. Wenn da gerade alles erledigt ist und Sie warten müssen, widmen Sie sich den mittelgroßen Steinen.

Aber auch zwischen diesen bleibt noch Platz, und den füllen Sie mit Sand. Suchen Sie sich Aufgaben, die langfristig wertvoll sind, die Sie aber kurzfristig unterbrechen können, wenn es woanders weitergeht. Ein zweistündiges Meeting können Sie nicht abbrechen, wenn eine wichtige E-Mail von einem der "großen Brocken" reinkommt. Aber ein Buch über agiles Management zu lesen, wäre eine sehr passende "Sandbeschäftigung". Langfristig relevant, aber spontan unterbrechbar. Lesen, lernen, reflektieren, zurücklehnen und denken - all dies sind klassische "Sandaufgaben", von denen sich (und ihrem Team) die meisten Führungskräfte viel zu wenig gönnen.

Seien Sie klüger. Planen Sie das Glas für sich und Ihr Team anders. Viel Spaß beim Befüllen.


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