Aufgaben sind wie Affen - wie viele wollen Sie pflegen?

07.05.2021

Das heutige Führungsbild: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Büro und ein Mitarbeiter klopft an. Er tritt ein, mit einem Affen auf der Schulter. Diesen setzt er auf Ihren Schreibtisch, meint "Ich erkundige mich dann in zwei Tagen mal, wie es ihm geht", und verschwindet durch die Tür nach draußen. Während der Affe auf Ihrem Schreibtisch gerade die Bleistifte zernagt, klopft es erneut an der Tür...






Ein seltsames Szenario, nicht wahr? Und was hat das mit der realen Arbeitswelt zu tun?

Nun, stellen Sie sich vor, der Affe wäre kein Affe, sondern eine Aufgabe, die eigentlich der Mitarbeitende hätte erfüllen sollen. Klingt das Ganze dann nicht schon deutlich bekannter?

Wenn Sie eine der Führungskräfte sind, die sich oft auch spät abends oder am Wochenende noch mit Arbeitsaufgaben beschäftigt, ist die Chance hoch, dass Sie in Ihrem Arbeitsalltag zu viele Affen in Ihrem Büro behalten haben - oder schlimmer noch: Ihren Mitarbeitenden die Affen entrissen haben, weil diese "eh nicht damit umgehen können". 

In ihrem Artikel "Management Time: Who's Got the Monkey?" von 1973 ziehen William Oncken und Donald Wass den sehr interessanten Vergleich zwischen Aufgaben und Affen, der hilft, die Wahrnehmung für die Verteilung von Aufgaben zu schärfen. Wenn Sie mit diesem Bild im Kopf durch Ihren Arbeitsalltag gehen, werden Sie feststellen, wie oft Mitarbeitende ihre Probleme/Affen bei Ihnen abladen - nicht aus Faulheit oder Boshaftigkeit, sondern weil es so einfacher für sie ist. 

Ein Beispiel: Sie werden auf dem Flur von einer Mitarbeitenden angesprochen, die gerade an der Organisation des Messeauftritts arbeitet. Sie hat eine Absage vom Messebauer bekommen, den man gebucht hatte. Sie hätte nun drei neue Angebote, wüsste aber nicht so recht, welches sie annehmen sollte. 

Sie antworten, dass Sie jetzt gerade keine Zeit hätten, sich das aber später mal ansehen würden. Dazu nehmen Sie die drei gedruckten Angebote entgegen und eilen weiter zum Meeting. In Gedanken kalkulieren Sie, ob Sie heute wohl wieder zu spät zum Abendessen heimkommen werden. 

Haben Sie im Beispiel bemerkt, wie der Affe von der Mitarbeiterin zu Ihnen gewandert ist? SIE sind jetzt verantwortlich für die Affenpflege. Und SIE haben die Pflicht, die Mitarbeiterin zu informieren, ab wann Sie sich wieder um den Affen kümmern könnte. Für das Bild der Affenübergabe können wir uns immer den Moment nehmen, indem die Initiative für den nächsten Schritt an SIE übergeht. 

Das Resultat eines solchen Verhaltens: Sie haben viel zu viele operative Aufgaben auf Ihrem Schreibtisch und erledigen die Arbeit, die eigentlich Ihre Mitarbeitenden machen sollten. Vielleicht sogar gerne - schließlich werden die Ergebnisse so wenigstens endlich mal genau so, wie Sie sich das vorstellen! Aber das verschlingt Zeit, zum Beispiel Ihre Abendstunden. Es hält Sie davon ab, andere Dinge zu tun, nämlich die strategischen Aufgaben, die weniger dringend, aber weitaus wichtiger wären und in der operativen Arbeit schnell untergehen. Und es macht Sie zum Flaschenhals Ihre Teams, denn innerhalb kürzester Zeit hindert die Affen-Warteschlange auf Ihrem Schreibtisch Ihr Team daran, voranzuarbeiten.

Einige Gründe, warum Mitarbeitende Ihre Affen lieber bei Ihnen belassen

  • Die Arbeit wird durch Sie erledigt. Das ist bequemer.
  • Das Risiko der Fehlentscheidung liegt nun bei Ihnen, nicht beim Mitarbeitenden.
  • Die Mitarbeitenden erwarten, dass Sie ohnehin die Entscheidung selbst treffen wollen und folgen der Erwartungshaltung.
  • Die Mitarbeitenden sind unsicher und trauen ihren eigenen Fähigkeiten nicht.

Einige Gründe, warum Führungskräfte Affen an sich reißen

  • Die Führungskraft identifiziert sich noch mit ihrer ehemaligen Aufgabe als Fachkraft (viele Führungskräfte werden ja zur Führungskraft befördert, weil sie so gut waren in ihrer Tätigkeit als Fachkraft) und will diese genau so erledigt sehen, wie sie das selbst getan hat. Dadurch neigt sie dazu, die Affen lieber selbst zu pflegen, weil es ihnen dann besser geht. Das zeigt auch allen anderen, wie Affenpflege richtig geht.
  • Die Führungskraft genießt das unmittelbare positive Gefühl des erfolgreichen Abschlusses einer Aufgabe. Führungsaufgaben sind langfristig orientierte Aufgaben. Schnelle, befriedigende Erfolge sind hier selten. Da machte es einfach mehr Spaß, auch mal wieder selbst in die Affenpflege einzusteigen. 
  • Die Führungskraft ist durch negative Glaubenssätze geprägt, wie "Die Führungskraft trägt die alleinige Verantwortung für die Arbeitsergebnisse des Teams" oder "Was man nicht selber macht, wird eh nicht gut". Das führt dazu, dass sie sich sehr schnell in die Affenpflege ihrer Mitarbeitenden einmischt. 

Was ist nun die richtige Lösung? Hartes Abblocken aller Aufgaben, die Mitarbeitende an Sie herantragen, ist es jedenfalls nicht. Das wird vor allem auf Unverständnis stoßen und hat mit einem kooperativen Teamgeist nichts zu tun. 

Besser ist es, Sie nutzen eine andere Vorgehensweise: Coaching

Gewöhnen Sie sich an, die Probleme Ihrer Mitarbeitenden aufzunehmen, mit Ihnen zu besprechen und Ihnen Hilfe zukommen zu lassen - nur eben nicht durch Übernahme der Aufgabe, sondern durch einen frageorientierten Coaching-Ansatz. Stellen Sie Ihren Mitarbeitenden Fragen, die diese zu einer Lösung geleiten (zu einer offenen Lösung, nicht genau der Lösung, die Sie sich vorstellen - das fühlt sich schnell manipulativ an!). Fragen Sie zum Beispiel:

  • Wie wurde das Problem in der Vergangenheit gelöst?
  • Was waren erste Gedanken der Mitarbeitenden zu möglichen Lösungen?
  • Wo könnte man weitere Informationen über Lösungsansätze finden?
  • Wer könnte schon erfolgreich Lösungen für das Problem gefunden haben?
  • Wer könnten gute interne oder externe Verbündete bei der Problemlösung sein?
  • Wie könnte ein Lösungsexperiment aussehen, das abgesichert genug ist, als dass ein Fehlschlag kein allzu großes Risiko darstellt?
  • Welche Ressourcen bräuchte eine solche Lösung?
  • Bis wann könnten erste Resultate zu erwarten sein?

Sobald die Frage im Raum steht, können Sie natürlich auch eigene Vorschläge machen, wenn der:die Mitarbeitende nicht über das nötige Wissen verfügt. 

Mit diesem Vorgehen fördern Sie nicht nur die Fähigkeit zum eigenständigen Denken in Ihren Mitarbeitenden, sondern Sie schicken den Affen auch gemeinsam mit den Mitarbeitenden wieder aus Ihrem Büro - wo er hingehört. 

PS: Es kann sich sehr lohnen, das Bild der Problem-Affen auch mit Ihren Mitarbeitenden zu teilen. Wenn Sie das Thema transparent machen, können Sie durch Aufbringen der Affen-Metapher sehr schnell deutlich machen, was gerade passiert und warum Sie denken, dass der Mitarbeitende seinen Affen besser wieder zur Tür hinaus mitnimmt. 

Eine kleine Übung für geneigte Leser:innen:

Wie hätte die obige Beispielsituation gelöst werden können, wenn Sie den Affen nicht direkt übernommen hätten, sondern die Mitarbeiterin zu einem Coaching-Gespräch am nächsten Tag eingeladen hätten? 

Welche Fragen hätten Sie stellen können, um die Mitarbeiterin zur Entwicklung einer eigenen Lösung zu coachen?

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