Unsichtbare Elektrozäune lähmen Mitarbeitende
Das heutige Führungsbild: Stellen Sie sich vor, es ist traumhaftes Wetter, Sie laufen durch eine vom Wind bewegte Sommerwiese und genießen das Leben. Plötzlich stoßen Sie gegen etwas unsichtbares, Sie durchfährt ein schmerzhafter elektrischer Schlag. Verwirrt treten Sie einen Schritt zurück, nur um erneut einen Schlag zu erhalten. Sie verharren, hilflos und verwirrt, und fragen sich, wie Sie hier wohl wieder herauskommen.
So wie im Bild geht es vielen frisch in Unternehmen eingestiegenen Angestellten, die Eigeninitiative zeigen und motiviert voran preschen - nur um dann in unsichtbare Elektrozäune in Form der Zurechtweisung durch ihre Führungskräfte zu laufen. Denn diese wären das Problem anders angegangen, empfinden die Eigeninitiative ihrer Mitarbeitenden als forsch und vorschnell. "Die Jungspunde müssen erstmal lernen, wie das hier läuft", ist ein oft gehörter Satz.
Also bremsen die Führungskräfte die Frischlinge aus, legen ihrer Motivation Steine in den Weg und lesen ihnen mitunter sogar die Leviten. Für die "Jungspunde" erscheint dies, als hätten sie einen Fehler gemacht. Einen Fehler, den sie nicht voraussehen konnten, da sie in ihrem Weltbild doch richtig gehandelt und Eigeninitiative gezeigt haben. Sie kannten nur die - oft undurchsichtigen - Spielregeln in der Abteilung nicht. Und sind deshalb eben in den unsichtbaren Zaun gerannt.
Unsichtbare Elektrozäune erzeugen erlernte Hilflosigkeit!
Passiert dies mehrmals, lernen Angestellte, dass Eigeninitiative in diesem Unternehmen nicht gefragt ist. Sie fallen in einen Zustand der erlernten Hilflosigkeit: sie bekommen das Gefühl, dass es nicht vorhersehbar ist, wann ihre Eigeninitiative belohnt und wann sie bestraft wird, dass die Strafe willkürlich erfolgt. Also ist es besser, nichts zu tun.
In diesem Zustand befinden sich viele Teams in Unternehmen - und die Führungskräfte wundern sich, dass ihre Angestellten sich so wenig engagieren. Ohne zu merken, dass ihre eigene Intervention dafür verantwortlich ist. Dabei wollen sie lediglich erreichen, dass ihre Mitarbeitenden ihren Job richtig erledigen!
Elektrozäune sind okay - aber sie müssen sichtbar sein!
Das Problem ist, dass die Kriterien für "den Job richtig erledigen" für die Angestellten oft nicht transparent und nachvollziehbar sind. Elektrozäune an sich sind in Ordnung - wenn jeder im Unternehmen machen könnte, was er will, würde Chaos herrschen. Zäune schützen bestimmte Grenzen und halten Schädlinge draußen. Das Problem sind unsichtbare Elektrozäune.
Als Führungskraft ist es deshalb wichtig, dass Sie Ihre Zäune sichtbar machen. Stellen Sie mit Ihrem Team zum Beispiel die folgenden Dinge explizit auf:
- Die Rollen aller Teammitglieder
- Die Rechte und Pflichten aller Teammitglieder
- Der Grad der Delegation in bestimmten Aufgabenfeldern (siehe auch das Delegation Poker von Jurgen Appelo)
- Eine gemeinsame Vision
- Handlungsleitlinien, die vorgeben, auf welche Weise die Vision erreicht werden soll (und explizit auf welche Weise nicht!)
- Standards dafür, wie bestimmte Arbeiten erledigt werden sollten (wo möglich und sinnvoll)
Sobald Ihre Zäune Schilder haben und niemand mehr hineinrennt, wissen Ihre Mitarbeitenden, welche Freiheit sie haben und werden diese nutzen.